Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
»Stadluft macht frei« - für die Hunsrück-›Metropole‹ und ihre Einwohner galt diese bedeutsame Redensart sehr konkret, seit am 10. Juli 1330 Kaiser Ludwig der Bayer dem Raugrafen Georg II. die Freiung seiner Stadt Simmern bestätigt hatte. Historische Abbildungen an den Werken von Sebastian Münster (›Cosmographie‹), Matthäus Merian und Daniel Meisner geben übereinstimmend ein ausgesprochen harmonisch wirkendes Ensemble von Wohn- und Wehrbauten wieder, in welchem die das Schiff der ehrwürdigen Stefanskirche bereits nicht anders zur Geltung kommt, als man es noch heute zwischen den Hausdächern aufragen sieht. Alles übrige hat sich aber von Grund auf verändert, nachdem im Vollzug der vom französischen König Ludwig XIV. mit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg brutal realisierten Politik der verbrannten Erde auch Simmern in Asche gelegt worden war. So erinnern heute nur noch der Schinderhannesturm und Mauerreste unter dem Römerberg an die alten Festungsanlagen, und auch in den Sammlungen des Hunsrücker Heimatmuseums, untergebracht im Neuen Schloss, finden sich nur wenige (wenngleich höchst wertvolle) Exponate, die darauf schließen lassen, wie prachtvoll Simmern einmal gewesen ist.
Ein rundes Dutzend jungsteinzeitlicher Beile, die verstreut zwischen Rheinböllen, Horn und Hirschfeld aufgelesen wurden, macht glaubhaft, dass nicht nur schweifende Jäger der Urgeschichte in die höheren Regionen des Hunsrücks vorgestoßen, sondern möglicherweise auch erste Ansätze zum Sesshaftwerden und zur landwirtschaftlichen Nutzung des Bodens vorhanden war.
Zur Bronzezeit und dann schließlich mit der Hunsrück-Eifel-Kultur zeichnete sich in der Simmerner Umgebung bereits eine Zunahme der Bevölkerung ab, was vor allem durch mehrere Grabfunde nachgewiesen werden kann. Bronzeschmuck (Wendelringe) aus Gräbern von Niederkumbd und Oppertshausen wird von Heimatforschern als Beleg dafür in Anspruch genommen, dass sich schon frühzeitig unter den am oberen Simmerbach ansässigen Leuten eine gewisse Führungs- bzw. Adelsschicht heranbildete. Einer der interessantesten Funde wurde genau an der Stelle geborgen, wo sich heute die Bunker der Marschflugkörperbasis Hasselbach erheben: Dort lag unter mächtigem Grabhügel ein altkeltischer Häuptling bestattet, ausgestreckt im Kasten eines vierrädrigen Wagens. Seine Lanze und eine bronzene Situla hatte man ihm mitgegeben und über dieser Ruhestätte ein zeltähnliches Holzhaus errichtet.
Auch für die Römerzeit sind es Grabanlagen gewesen, die dem Simmerner Museum reichhaltiges Fundgut geliefert haben. Glasgefäße aus einem Frauengrab bei Budenbach, eine Kugelflasche mit den durch chemische Analyse nachgewiesenen Resten von Hautbalsam aus einer Kisselbacher Bestattung sowie ein voluminöse Glasurne mit Leichenbrand aus einem Adelsgrab von Kümbdchen können in den Vitrinen der Sammlung besichtigt werden. Im eigentlichen Stadtgebiet kam ein römerzeitlicher Grabfund mit erlesenen Keramikgefäßen zutage, darunter eine kunstvolle Terra-sigillata-Schüssel mit Reliefbildern bellender Hunde und springender Hasen. Laut Töpferstempel wurde dieses feine Geschirr in einer Manufaktur der antiken Provence hergestellt. Funde von Mauerwerk und Amphoren, einer Reibschale und sonstigen Haushaltskeramiken konnten bei Verlegung der städtischen Wasserleitung in der Rottmannstraße geborgen werden, was als zuverlässiger Hinweis auf eine frühgeschichtliche Siedlung gewertet wird. Mehr noch: Am selben Ort kamen Münzen der Kaiser Maximianus und Magnentius zum Vorschein; durch diese und anhand noch weiterer Fundplätze im Stadtinneren lässt sich eine römerzeitliche Besiedlung Simmerns spätestens für die Zeit um 350. n. Chr. nachweisen.
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Die Grabmäler in der Stefanskirche
Herzog Johann I. (1459-1509), Sohn des Friedrich ›Cynonotus‹ (des ›Hundsrückers‹), Dritter in der Simmerner Herzoglinie und auch Begründer dieser Epitaphiums in der Stefanskirche, wirkt trotz der mehr als lebensgroßen Darstellung in voller Ritterrüstung auf seinem Grabmahl eher nett und gemütlich. Einen harschen Mann des Krieges vermutet man jedenfalls kaum hinter solch einer Physognomie. Das Werk ist 1522 von einem Meister ›Jacob‹ vollendet und signiert worden, in dem man den Koblenzer Jacob Kerre (Kern) erkennt, einen Schüler der bekannten Bildhauers Hans Backoffen aus Mainz. Herzog Johann steht auf einem Löwen zwischen seitlichen Pilastern und unter einem Bogen, auf welchem Helmzier und Wappenschild von Putten gehalten werden. Die Bildnisfigur wirkt in ihrer Haltung noch gotisch, aber im ornamentalen Dekor kommt deutlich zum Vorschein, dass mit dieser Gestaltung - übrigens erstmals im mittelrheinischen Raum - die spätgotische Plastik reinen Renaissanceformen gewichen ist. Auch die den Grabmälern benachbarten Inschriftenepitaphien für Pfalzgräfin Alberta und den Kanzler Hieronymus Rhodler tragen die Stilmerkmale der Renaissance.
Ein namentlich unbekannter ›Meister von Simmern‹ soll Schöpfer der Bildnisepitaphien für die Gemahlin Johanns I., Johanna von Nassau-Saarbrücken, und Jahanns II. mit seiner Gattin Beatrix gewesen sein. Heute erkennt man freilich in diesen Arbeiten Frühwerk des Bildhauers Johann von Trarbach, der als Günstling Johanns II. (und als Bürgermeister von Simmern) bereits zu Lebzeiten hoch in Ansehen stand. 1557 hat der Herzog ihn mit der Titulierung »unser lieber und getreuer Hans von Trarbach« zum Hofbilder erhoben. Werke seiner Hand und seiner Werkstatt finden sich noch in Gemünden, Kastellaun, Kirchberg, Meisenheim, Baden-Baden, Hanau, Michelstadt, Pforzheim und Öhringen. Eine seiner schönsten Arbeiten ist das Epitaph der Johanna von Nassau-Saarbrücken; Johann II. hat es für seine 1521 verstorbene Mutter 1554 arbeiten lassen. Die überaus fein herausmodellierten Gesichtszüge der Greisin beeindrucken; größte Detailtreue zeigen auch das faltenreiche Gewand und die betend gefalteten Hände. Dabei kommt diese Figur in einer mit zartem Rankenwerk, üppigen Wappenschilden und sonstiger qualitätsvoller Zier besetzten Ädikula hervorragend zur Geltung.
An der Wand gegenüber gewahrt man das ebenfalls von Johann von Trarbach gestaltete Doppelgrabmal ihrer Sohnes Johann II. (gest. 1557) und seiner Gemahlin Beatrix von Baden (gest. 1535). Es ist bereits zu Lebenszeiten des Herzogs (1554) begonnen worden, so dass die Gesichtszüge des markanten, kurhaarigen und langbärtigen Charakterkopfes sicher genau nach der Natur gearbeitet worden sind. Man erblickt in ihm, wie eine historische Beschreibung es anschaulich wiedergibt, eine »vornehme, hagere Erscheinung mit großem, rundem Schädel, tiefliegenden Augen und mächtigem Bart, selbst im Gebet von lässige, doch selbstbewusster Haltung, einen Ritter alten Schlages«. Ein anderes Grabmal zeigt als Halbfigur seine zweite Gattin, die Maria Jacobäa von Öttingen (gest. 1598). Dieses gleich beim Eingang an der Fensterwand zu sehen Kunstwerk hat Johann II. testamentarisch gestiftet mit den recht bewegenden Worten: »Dass unserer jetzigen herzlieben Gemahlin, bei deren wie so viel Guts, Liebs und Freundschaft erlebt haben (die ihr der allmächtige Gott wieder vergelten wolle) Brustbild möchte gemacht werden, dabei ein Geschrift, dass diese unser liebe Gemahlin und aus rechten Lieben in unserem zweiundsechzigsten Jahr einen Gemahl angenommen habe.«
Als wichtiges Spätwerk des Johann von Trarbach gilt in der Simmerner Grabkapelle das Herzog-Reichard-Denkmal, ein Doppelepitaph für Johanns II. jüngsten Sohn und dessen Gemahlin Juliana von Wied (gest. 1575). Mit Herzog Reichard (gest. 1598) starb die ältere Linie des Geschlechtes derer von Simmern aus. Von den Figuren des Grabmals heisst es allerdings: »Die Kunst des in Simmern als Hofbildhauer ansässigen, auch in anderen fürstlichen Häusern geschätzten Meisters zeigt sich hier weniger vorteilhaft als z. B. in Meisenheim und Öhringen; sie ist nach ihrem Wesen (wie im weiteren Sinne überhaupt die Plastik dieser Zeit) Kleinkunst und vermag dem großen Maßstab nur durch Summierung, nicht durch innere Größere de Motive gerecht zu werden; die Bildnisstatuen sind wenig mehr als Kostümgruppen; das Ornamentale freilich vorzüglich« (Georg Dehio). Das auch in seinen Ausmaßen von 8,20 x 3,20 Meter imponierende Werk, reich mit Wappenschilden, steinernen Vorhänge, langzeiligen Inschrifttafeln und ornamentaler Zier beladen, wirkt in der Tat vor allem theatralisch. Barocke Fülle kündigt sich hier bereits unübersehbar an. Unter seinen zehn Reliefs mit biblischen Szenen sind drein von Hans Ruprecht Hoffmann aus Trier geschaffen worden, der 1582 als Mitarbeiter und späteren Nachfolger des 1586 im Alter von 56 Jahren verstorbenen Johann von Trarbach nachzuweisen ist.
Das nur noch in Resten erhaltene Denkmal für Herzog Reichards zweite Frau, Emilia von Württemberg (gest. 1586), sowie weitere heraldische und Inschriftenepitaphien (16. Jh.) in der Stefanskirche werden durchweg dem Meister von Trarbach zugeschrieben, dessen Werkstatt schließlich durch Hans Trapp und Conradt Wohlgemuth weitergeführt wurde, ohne jedoch das unter ihrem Begründer erlangte Niveau länger halten zu können.
Simmerns zweites Gotteshaus, die katholische Pfarrkirche St. Josef, ist 1749-1752 nach Plänen des kurpfälzischen Baumeister Johann Jakob Rischer (1662-1755) als stattlicher Saalbau konstruiert worden. In dem von Pilastern gegliederten und unter seinem von einer Habe gekrönten Turm an das einstige Karmeliterkloster (1703/04) anschließenden Bauwerk hat sich eine großartige Ausstattung des späten Barock erhalten. Insbesondere die für den Hunsrückraum außergewöhnliche Deckenmalerei (u.a. Anbetung des Kindes), 1754 von Mannheimer Hofmaler Francesco Bernardini geschaffen, trägt neben weiteren Gemälden (teils demselben Urheber zugeschrieben) bedeutend zur schönen Raumwirkung bei. Den Hochaltar bekrönt ein Herz-Jesu-Statue des kurfürstlichen Hofbildhauers Paul Egell (1691-1752), der als Schüler Balthasar Permosers um 1715 auch an der Skulpturen des Dresdener Zwingers mitgearbeitet hatte. Vorzügliche Plastiken des 18. Jahrhunderts aus der Mainzer Werkstatt des Martin Bitterich erblickt man in Gestalt des Guten Hirten über der Rokokokanzel und einer Madonna am Außenportal. Die Orgel (1753) wurde von den Gebrüdern Stumm aus Rhaunen-Sulzbach geschaffen. Zwei Seitenaltäre (1752) und das Gestühl entstammen gleichfalls Hunsrücker Werkstätten, wobei eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den Altären in Ravengiersburg und Kirchberg auffällt.
Als drittes Bauwerk von Bedeutung sollte man in der Kreisstadt Simmern schließlich auch das 1708-1713 über den Ruinen der 1689 zerstörten Herzogresidenz errichtete Neue Schloss beachten. Es birgt die sehenswerten Sammlungen des Hunsrücker Heimatmuseums sowie ein regionales Archiv und die wichtige Geschichtsbücherei. Zu den interessantesten Exponaten zählen die aus der Fürstengruft in der Stefanskirche geborgenen Prunkwaffen des Herzogs Reichard.
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
»Stadluft macht frei« - für die Hunsrück-›Metropole‹ und ihre Einwohner galt diese bedeutsame Redensart sehr konkret, seit am 10. Juli 1330 Kaiser Ludwig der Bayer dem Raugrafen Georg II. die Freiung seiner Stadt Simmern bestätigt hatte. Historische Abbildungen an den Werken von Sebastian Münster (›Cosmographie‹), Matthäus Merian und Daniel Meisner geben übereinstimmend ein ausgesprochen harmonisch wirkendes Ensemble von Wohn- und Wehrbauten wieder, in welchem die das Schiff der ehrwürdigen Stefanskirche bereits nicht anders zur Geltung kommt, als man es noch heute zwischen den Hausdächern aufragen sieht. Alles übrige hat sich aber von Grund auf verändert, nachdem im Vollzug der vom französischen König Ludwig XIV. mit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg brutal realisierten Politik der verbrannten Erde auch Simmern in Asche gelegt worden war. So erinnern heute nur noch der Schinderhannesturm und Mauerreste unter dem Römerberg an die alten Festungsanlagen, und auch in den Sammlungen des Hunsrücker Heimatmuseums, untergebracht im Neuen Schloss, finden sich nur wenige (wenngleich höchst wertvolle) Exponate, die darauf schließen lassen, wie prachtvoll Simmern einmal gewesen ist.
Ein rundes Dutzend jungsteinzeitlicher Beile, die verstreut zwischen Rheinböllen, Horn und Hirschfeld aufgelesen wurden, macht glaubhaft, dass nicht nur schweifende Jäger der Urgeschichte in die höheren Regionen des Hunsrücks vorgestoßen, sondern möglicherweise auch erste Ansätze zum Sesshaftwerden und zur landwirtschaftlichen Nutzung des Bodens vorhanden war.
Zur Bronzezeit und dann schließlich mit der Hunsrück-Eifel-Kultur zeichnete sich in der Simmerner Umgebung bereits eine Zunahme der Bevölkerung ab, was vor allem durch mehrere Grabfunde nachgewiesen werden kann. Bronzeschmuck (Wendelringe) aus Gräbern von Niederkumbd und Oppertshausen wird von Heimatforschern als Beleg dafür in Anspruch genommen, dass sich schon frühzeitig unter den am oberen Simmerbach ansässigen Leuten eine gewisse Führungs- bzw. Adelsschicht heranbildete. Einer der interessantesten Funde wurde genau an der Stelle geborgen, wo sich heute die Bunker der Marschflugkörperbasis Hasselbach erheben: Dort lag unter mächtigem Grabhügel ein altkeltischer Häuptling bestattet, ausgestreckt im Kasten eines vierrädrigen Wagens. Seine Lanze und eine bronzene Situla hatte man ihm mitgegeben und über dieser Ruhestätte ein zeltähnliches Holzhaus errichtet.
Auch für die Römerzeit sind es Grabanlagen gewesen, die dem Simmerner Museum reichhaltiges Fundgut geliefert haben. Glasgefäße aus einem Frauengrab bei Budenbach, eine Kugelflasche mit den durch chemische Analyse nachgewiesenen Resten von Hautbalsam aus einer Kisselbacher Bestattung sowie ein voluminöse Glasurne mit Leichenbrand aus einem Adelsgrab von Kümbdchen können in den Vitrinen der Sammlung besichtigt werden. Im eigentlichen Stadtgebiet kam ein römerzeitlicher Grabfund mit erlesenen Keramikgefäßen zutage, darunter eine kunstvolle Terra-sigillata-Schüssel mit Reliefbildern bellender Hunde und springender Hasen. Laut Töpferstempel wurde dieses feine Geschirr in einer Manufaktur der antiken Provence hergestellt. Funde von Mauerwerk und Amphoren, einer Reibschale und sonstigen Haushaltskeramiken konnten bei Verlegung der städtischen Wasserleitung in der Rottmannstraße geborgen werden, was als zuverlässiger Hinweis auf eine frühgeschichtliche Siedlung gewertet wird. Mehr noch: Am selben Ort kamen Münzen der Kaiser Maximianus und Magnentius zum Vorschein; durch diese und anhand noch weiterer Fundplätze im Stadtinneren lässt sich eine römerzeitliche Besiedlung Simmerns spätestens für die Zeit um 350. n. Chr. nachweisen.
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Die weitere Stadtgeschichte wird erst im Jahr 1072 durch urkundliche Nennung fassbar, und das bereits erwähnte Datum von 1330 lässt erkennen, dass offenbar nach der Jahrtausendwende ein stetiger Anstieg des Gemeinwesens erfolgt ist. Mit der Freiung unter den raugräflichen Herren und der Einrichtung von Wochen- und Jahrmärkten wurde nun auch offiziell die Zentrumsfunktion des Ortes begründet, wie sie über die Jahrhunderte bis zum heutigen Tag fortdauern sollte. 1359 kam die Stadt unter pfalzgräfliche Hoheit, was vor allem insofern bedeutungsvoll war, als bei der Erbteilung unter den Söhnen König Ruprechts von der Pfalz um Jahr 1410 »Simmern auf dem Hundesruck, Burg und Stadt, Laupach die Stadt, Hohrein die Stadt, Argenthal die Stadt und den Hunsruck zumal und ganz, was die Herrschaft darauf liegen und fallen hat« zu einem eigenständigen Fürstentum vereinigt wurde. Pfalzgraf Stephan, Ruprechts drittgeborener Sohn, nahm seine Regentschaft von Zweibrücken aus war, doch sein Sohn Friedrich I., dem aus mütterlichem Erbe 1444 auch sponheimische Besitzungen zugefallen waren, erhob Simmern endlich zur ständigen Residenz.
Die Spanne von 1459 bis 1598 markiert die von der herzoglichen Linie Pfalz-Simmern nach allen Kräften geförderte größe Blüte der Stadt. Insbesondere Herzog Johann II. (1509-57), der nicht nur den Humanisten äußerst wohlgesinnt, sondern auch mit erstaunlichem Weitblick gegenüber vielen sonstigen Neuerungen stets aufgeschlossen war, tat viel dazu, dass Simmern bald weit über den mittelrheinischen Raum hinaus im Ruf besonderer Fortschrittlichkeit stand. An seinem Hof gewährte er namhaften Künstlern Aufträge und Broterwerb und zeichnete sich auch dadurch aus, dass er als einer der ersten deutschen Fürsten überhaupt der von vielen feudalen Zeitgenossen noch beargwöhnten Druckkunst eine Chance gab. Und so wurden aus dem entlegenen Hunsrückstädtchen Simmern Buchwerke im deutschen Raum verbreitet, die höchste Beachtung gefunden haben.
Herausgeber der Drucke war der aus Bamberg gebürtige fürstliche Sekretär Hieronymus Rhodler, der sich schon zu Anfang seines Wirkens mit der Veröffentlichung eines auf Albrecht Dürers Proportionslehre fußenden ›Maßbuches‹ einen Namen machte: »Eynn schön nützlich büchlin und underweisung der kunst des Messens mit dem Zirckel, Richtscheid oder Linial. Zu nutz allen kunstliebhabern, fürnemlich den Malern, Bildhawern, Goldschmieden, Seidenstickern, Steinmetzen, Schreinern, auch allen anderen, so sich der kunst des Messens (Perspectiua zu latin genant) zugebrauchen Lust haben.«
Unter den beiden in Simmern noch vorhandenen Rhodler-Büchern befindet sich auch ein Exemplar des seinerzeit weit verbreiteten und berühmten ›Rixnerschen Turnierbuches‹. Von noch größerer Bedeutung bzw. Ausstrahlung als dieses hervorragend illustrierte Werk sind vermutlich aber die zu Simmern verlegten Sagenbücher gewesen, zum Beispiel: »Fierrabras. Eynn schöne kurzweilige Histori von eym mächtigen Riesen auß Hispanien, Fierrabras gnant, der eyn Heyd gewest, und bei zeiten des Durchleuchtigsten großen Keyser Karls gelebt, sich in kömpffen unnd in streitten dapfferlich, großmütig, mannlich und eerlich gehalten hat.« Ebenfalls aus dem karolingischen Sagenkreis hervor ging jene im gesamten Abendland verbreitete Volkssage von den vier Haimonskindern. Zum erstenmal in deutscher Sprache wurde dieses Werk durch Rhodler in Simmern herausgegeben: »Eyn schön lustig Geschicht, wie Keyser Carle der groß, vier gebrüder, Hertzog Aymond von Dordons Söne, umb das der eltest undter jnen Reynhardt genant, dem Keyser seiner Neuen (Neffen) eynen, mit eynem Schachbret erschlug, sechzehn jarlangk bekrieget« - »Getuckt zu Siemmern usw. Vollendet auff den Fünffundzwentzigsten tag Februarius, im jar als man zalt nach der geburt Christi MDXXXV.«
Die weitere Stadtgeschichte wird erst im Jahr 1072 durch urkundliche Nennung fassbar, und das bereits erwähnte Datum von 1330 lässt erkennen, dass offenbar nach der Jahrtausendwende ein stetiger Anstieg des Gemeinwesens erfolgt ist. Mit der Freiung unter den raugräflichen Herren und der Einrichtung von Wochen- und Jahrmärkten wurde nun auch offiziell die Zentrumsfunktion des Ortes begründet, wie sie über die Jahrhunderte bis zum heutigen Tag fortdauern sollte. 1359 kam die Stadt unter pfalzgräfliche Hoheit, was vor allem insofern bedeutungsvoll war, als bei der Erbteilung unter den Söhnen König Ruprechts von der Pfalz um Jahr 1410 »Simmern auf dem Hundesruck, Burg und Stadt, Laupach die Stadt, Hohrein die Stadt, Argenthal die Stadt und den Hunsruck zumal und ganz, was die Herrschaft darauf liegen und fallen hat« zu einem eigenständigen Fürstentum vereinigt wurde. Pfalzgraf Stephan, Ruprechts drittgeborener Sohn, nahm seine Regentschaft von Zweibrücken aus war, doch sein Sohn Friedrich I., dem aus mütterlichem Erbe 1444 auch sponheimische Besitzungen zugefallen waren, erhob Simmern endlich zur ständigen Residenz.
Die Spanne von 1459 bis 1598 markiert die von der herzoglichen Linie Pfalz-Simmern nach allen Kräften geförderte größe Blüte der Stadt. Insbesondere Herzog Johann II. (1509-57), der nicht nur den Humanisten äußerst wohlgesinnt, sondern auch mit erstaunlichem Weitblick gegenüber vielen sonstigen Neuerungen stets aufgeschlossen war, tat viel dazu, dass Simmern bald weit über den mittelrheinischen Raum hinaus im Ruf besonderer Fortschrittlichkeit stand. An seinem Hof gewährte er namhaften Künstlern Aufträge und Broterwerb und zeichnete sich auch dadurch aus, dass er als einer der ersten deutschen Fürsten überhaupt der von vielen feudalen Zeitgenossen noch beargwöhnten Druckkunst eine Chance gab. Und so wurden aus dem entlegenen Hunsrückstädtchen Simmern Buchwerke im deutschen Raum verbreitet, die höchste Beachtung gefunden haben.
Herausgeber der Drucke war der aus Bamberg gebürtige fürstliche Sekretär Hieronymus Rhodler, der sich schon zu Anfang seines Wirkens mit der Veröffentlichung eines auf Albrecht Dürers Proportionslehre fußenden ›Maßbuches‹ einen Namen machte: »Eynn schön nützlich büchlin und underweisung der kunst des Messens mit dem Zirckel, Richtscheid oder Linial. Zu nutz allen kunstliebhabern, fürnemlich den Malern, Bildhawern, Goldschmieden, Seidenstickern, Steinmetzen, Schreinern, auch allen anderen, so sich der kunst des Messens (Perspectiua zu latin genant) zugebrauchen Lust haben.«
Unter den beiden in Simmern noch vorhandenen Rhodler-Büchern befindet sich auch ein Exemplar des seinerzeit weit verbreiteten und berühmten ›Rixnerschen Turnierbuches‹. Von noch größerer Bedeutung bzw. Ausstrahlung als dieses hervorragend illustrierte Werk sind vermutlich aber die zu Simmern verlegten Sagenbücher gewesen, zum Beispiel: »Fierrabras. Eynn schöne kurzweilige Histori von eym mächtigen Riesen auß Hispanien, Fierrabras gnant, der eyn Heyd gewest, und bei zeiten des Durchleuchtigsten großen Keyser Karls gelebt, sich in kömpffen unnd in streitten dapfferlich, großmütig, mannlich und eerlich gehalten hat.« Ebenfalls aus dem karolingischen Sagenkreis hervor ging jene im gesamten Abendland verbreitete Volkssage von den vier Haimonskindern. Zum erstenmal in deutscher Sprache wurde dieses Werk durch Rhodler in Simmern herausgegeben: »Eyn schön lustig Geschicht, wie Keyser Carle der groß, vier gebrüder, Hertzog Aymond von Dordons Söne, umb das der eltest undter jnen Reynhardt genant, dem Keyser seiner Neuen (Neffen) eynen, mit eynem Schachbret erschlug, sechzehn jarlangk bekrieget« - »Getuckt zu Siemmern usw. Vollendet auff den Fünffundzwentzigsten tag Februarius, im jar als man zalt nach der geburt Christi MDXXXV.«
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Nach dem Tod Johanns II. folgte sein Sohn Friedrich II., unter dem im kleinen Herzogtum die Reformation eingeführt wurde (1557). Nach Aussterben der Linie im Jahr 1598 fiel Simmern wieder an Kurpfalz zurück und wurde von der Residenzstadt zum Sitz eines Oberamtes degradiert. Eine abermalige Vorrangstellung wuchs ihm späterhin zur französischen Besatzungszeit als Verwaltungsort des vorderhunsrückischen Arrondissements zu. Im übrigen machte es (Kreisstadt seit 1814) kulturell noch einmal im 19. Jahrhundert durch seinen Bürgermeister Peter Josef Rottmann (1799-1881) von sich reden, der als bis heute unerreichter Heimatdichter der Hunsrücker Volksseele einen von Mutterwitz und weit überdurchschnittlicher Schlitzohrigkeit durchsäuerten literarischen Ausdruck verlieh. Seine durchweg in Mundart verfassten Texte wird man sich als Nicht-Hunsrücker freilich von Einheimischen übersetzen lassen müssen. Trotzdem eine kurze Kostprobe:
›Uhs Herrgott sall uhs Aenkel,
uhs Kinn unn all die Leit,
die uff em Hunsrick sinn, erhalle
in Friere unn in Aehnigkeit.‹
Beim Gang durch das heutige Simmern erblickt man zwar eine Anzahl recht ansehnlicher Bürgerhäuser des 18. und 19. Jahrhunderts, für die ältere Stadtgeschichte stellt jedoch ausser dem wuchtigen Schinderhannesturm (in welchem der berüchtigte Räuberhauptmann tatsächlich ›geschmort‹ hat) nur noch die betagte Stefanskirche das einzig erhaltene Baurelikt von kunsthistorisch bedeutendem Rang dar. Die in diesem Gotteshaus behüteten Grabmäler zählen zu den großartigsten Arbeiten der Renaissanceplastik im gesamten Rheinland. Zugleich ermöglichen diese vorzüglichen Bildnisepitaphien einen authentischen Rückblick in Simmerns blühendste Zeit.
Der Kirchenbau, glücklicherweise von der Feuersbrunst des Herbstes 1689 in der Substanz verschont geblieben, ist als Halle zu drei Schiffen im spätgotischen Stil errichtet worden. Er vertritt als das am weitesten nördlich gelegene Beispiel jenen als ›Bayrische Schule‹ bezeichneten süddeutschen Typus, der auch in der Schlosskirche von Meisenheim am Glan zu beobachten ist. 1486 wurde der Grundstein gelegt, und vermutlich waren die Bauarbeiten vor 1510 bereits abgeschlossen. Der auf den alten Verduten noch einen spitzen Helm tragende mächtige Turm musste nach den 1689 erlittenen Schäden (durch die Gluthitze schmolzen sogar die Glocken) restauriert werden und erhielt 1752 über dem quadratischen Unterbau ein achteckiges Glockengeschoss sowie die jetzige barocke Schweifkuppel mit aufgesetzter Laterne.
Vom stadtseitigen Vorplatz an der Durchgangsstraße wirkt der Baukörper spannend gegliedert, und betritt man durch das seitliche Portal den Innenraum, überrascht als erstes dessen trotzdem sehr einheitliche, lautere Wirkung, die vor allem auch von der die großen Fenster durchflutenden Lichtfülle profitiert. Das Mittelschiff dominiert und ist von den erheblich schmaleren Seitenschiffen durch hohe und zugleich kräftige achteckige Pfeiler deutlich abgesetzt. Das fünfjochige Langhaus wird von den Rippen eines Sterngewölbes überspannt, die auf teils figürlich ausgeformten Konsolen ruhen. Auch im etwas höher als das Langhaus gelegenen Chors setzt sich die dekorative Gewölbestruktur fort und wird schließlich in einer Maßwerkrosette zusammengefasst, auf deren Schlussstein die Gestalt des hl. Stephanus erscheint. Während die Chorstirnseite das Wappen der Herzöge von Pfalz-Simmern trägt, ist die Maßwerkbrüstung der rückwärtigen Empore mit den Ahnenwappen Johanns I. und seiner Gattin Johanna von Nassau-Saarbrücken geschmückt. Dahinter bietet die schöne Barockorgel (Ende 18. Jh.) aus der Werkstatt Stumm einen prunkvollen Blickpunkt.
Die grandiosesten Schätze der Stefanskirche birgt die Grabkapelle an der südlichen Seite: Unter dem herrlichen Sterngewölbe mit dem pfalzgräflichen Wappen auf seinem Schlussstein stehen die Grabdenkmäler der Herzöge dicht beieinander, und in Form ihrer überaus lebensnah anmutenden Gestalten treten die mit beklemmend realistischen Porträts wieder gegebenen Herren von einst dem heutigen Besucher entgegen.
›Uhs Herrgott sall uhs Aenkel,
uhs Kinn unn all die Leit,
die uff em Hunsrick sinn, erhalle
in Friere unn in Aehnigkeit.‹
Beim Gang durch das heutige Simmern erblickt man zwar eine Anzahl recht ansehnlicher Bürgerhäuser des 18. und 19. Jahrhunderts, für die ältere Stadtgeschichte stellt jedoch ausser dem wuchtigen Schinderhannesturm (in welchem der berüchtigte Räuberhauptmann tatsächlich ›geschmort‹ hat) nur noch die betagte Stefanskirche das einzig erhaltene Baurelikt von kunsthistorisch bedeutendem Rang dar. Die in diesem Gotteshaus behüteten Grabmäler zählen zu den großartigsten Arbeiten der Renaissanceplastik im gesamten Rheinland. Zugleich ermöglichen diese vorzüglichen Bildnisepitaphien einen authentischen Rückblick in Simmerns blühendste Zeit.
Der Kirchenbau, glücklicherweise von der Feuersbrunst des Herbstes 1689 in der Substanz verschont geblieben, ist als Halle zu drei Schiffen im spätgotischen Stil errichtet worden. Er vertritt als das am weitesten nördlich gelegene Beispiel jenen als ›Bayrische Schule‹ bezeichneten süddeutschen Typus, der auch in der Schlosskirche von Meisenheim am Glan zu beobachten ist. 1486 wurde der Grundstein gelegt, und vermutlich waren die Bauarbeiten vor 1510 bereits abgeschlossen. Der auf den alten Verduten noch einen spitzen Helm tragende mächtige Turm musste nach den 1689 erlittenen Schäden (durch die Gluthitze schmolzen sogar die Glocken) restauriert werden und erhielt 1752 über dem quadratischen Unterbau ein achteckiges Glockengeschoss sowie die jetzige barocke Schweifkuppel mit aufgesetzter Laterne.
Vom stadtseitigen Vorplatz an der Durchgangsstraße wirkt der Baukörper spannend gegliedert, und betritt man durch das seitliche Portal den Innenraum, überrascht als erstes dessen trotzdem sehr einheitliche, lautere Wirkung, die vor allem auch von der die großen Fenster durchflutenden Lichtfülle profitiert. Das Mittelschiff dominiert und ist von den erheblich schmaleren Seitenschiffen durch hohe und zugleich kräftige achteckige Pfeiler deutlich abgesetzt. Das fünfjochige Langhaus wird von den Rippen eines Sterngewölbes überspannt, die auf teils figürlich ausgeformten Konsolen ruhen. Auch im etwas höher als das Langhaus gelegenen Chors setzt sich die dekorative Gewölbestruktur fort und wird schließlich in einer Maßwerkrosette zusammengefasst, auf deren Schlussstein die Gestalt des hl. Stephanus erscheint. Während die Chorstirnseite das Wappen der Herzöge von Pfalz-Simmern trägt, ist die Maßwerkbrüstung der rückwärtigen Empore mit den Ahnenwappen Johanns I. und seiner Gattin Johanna von Nassau-Saarbrücken geschmückt. Dahinter bietet die schöne Barockorgel (Ende 18. Jh.) aus der Werkstatt Stumm einen prunkvollen Blickpunkt.
Die grandiosesten Schätze der Stefanskirche birgt die Grabkapelle an der südlichen Seite: Unter dem herrlichen Sterngewölbe mit dem pfalzgräflichen Wappen auf seinem Schlussstein stehen die Grabdenkmäler der Herzöge dicht beieinander, und in Form ihrer überaus lebensnah anmutenden Gestalten treten die mit beklemmend realistischen Porträts wieder gegebenen Herren von einst dem heutigen Besucher entgegen.
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Die Grabmäler in der Stefanskirche
Herzog Johann I. (1459-1509), Sohn des Friedrich ›Cynonotus‹ (des ›Hundsrückers‹), Dritter in der Simmerner Herzoglinie und auch Begründer dieser Epitaphiums in der Stefanskirche, wirkt trotz der mehr als lebensgroßen Darstellung in voller Ritterrüstung auf seinem Grabmahl eher nett und gemütlich. Einen harschen Mann des Krieges vermutet man jedenfalls kaum hinter solch einer Physognomie. Das Werk ist 1522 von einem Meister ›Jacob‹ vollendet und signiert worden, in dem man den Koblenzer Jacob Kerre (Kern) erkennt, einen Schüler der bekannten Bildhauers Hans Backoffen aus Mainz. Herzog Johann steht auf einem Löwen zwischen seitlichen Pilastern und unter einem Bogen, auf welchem Helmzier und Wappenschild von Putten gehalten werden. Die Bildnisfigur wirkt in ihrer Haltung noch gotisch, aber im ornamentalen Dekor kommt deutlich zum Vorschein, dass mit dieser Gestaltung - übrigens erstmals im mittelrheinischen Raum - die spätgotische Plastik reinen Renaissanceformen gewichen ist. Auch die den Grabmälern benachbarten Inschriftenepitaphien für Pfalzgräfin Alberta und den Kanzler Hieronymus Rhodler tragen die Stilmerkmale der Renaissance.
Ein namentlich unbekannter ›Meister von Simmern‹ soll Schöpfer der Bildnisepitaphien für die Gemahlin Johanns I., Johanna von Nassau-Saarbrücken, und Jahanns II. mit seiner Gattin Beatrix gewesen sein. Heute erkennt man freilich in diesen Arbeiten Frühwerk des Bildhauers Johann von Trarbach, der als Günstling Johanns II. (und als Bürgermeister von Simmern) bereits zu Lebzeiten hoch in Ansehen stand. 1557 hat der Herzog ihn mit der Titulierung »unser lieber und getreuer Hans von Trarbach« zum Hofbilder erhoben. Werke seiner Hand und seiner Werkstatt finden sich noch in Gemünden, Kastellaun, Kirchberg, Meisenheim, Baden-Baden, Hanau, Michelstadt, Pforzheim und Öhringen. Eine seiner schönsten Arbeiten ist das Epitaph der Johanna von Nassau-Saarbrücken; Johann II. hat es für seine 1521 verstorbene Mutter 1554 arbeiten lassen. Die überaus fein herausmodellierten Gesichtszüge der Greisin beeindrucken; größte Detailtreue zeigen auch das faltenreiche Gewand und die betend gefalteten Hände. Dabei kommt diese Figur in einer mit zartem Rankenwerk, üppigen Wappenschilden und sonstiger qualitätsvoller Zier besetzten Ädikula hervorragend zur Geltung.
An der Wand gegenüber gewahrt man das ebenfalls von Johann von Trarbach gestaltete Doppelgrabmal ihrer Sohnes Johann II. (gest. 1557) und seiner Gemahlin Beatrix von Baden (gest. 1535). Es ist bereits zu Lebenszeiten des Herzogs (1554) begonnen worden, so dass die Gesichtszüge des markanten, kurhaarigen und langbärtigen Charakterkopfes sicher genau nach der Natur gearbeitet worden sind. Man erblickt in ihm, wie eine historische Beschreibung es anschaulich wiedergibt, eine »vornehme, hagere Erscheinung mit großem, rundem Schädel, tiefliegenden Augen und mächtigem Bart, selbst im Gebet von lässige, doch selbstbewusster Haltung, einen Ritter alten Schlages«. Ein anderes Grabmal zeigt als Halbfigur seine zweite Gattin, die Maria Jacobäa von Öttingen (gest. 1598). Dieses gleich beim Eingang an der Fensterwand zu sehen Kunstwerk hat Johann II. testamentarisch gestiftet mit den recht bewegenden Worten: »Dass unserer jetzigen herzlieben Gemahlin, bei deren wie so viel Guts, Liebs und Freundschaft erlebt haben (die ihr der allmächtige Gott wieder vergelten wolle) Brustbild möchte gemacht werden, dabei ein Geschrift, dass diese unser liebe Gemahlin und aus rechten Lieben in unserem zweiundsechzigsten Jahr einen Gemahl angenommen habe.«
Als wichtiges Spätwerk des Johann von Trarbach gilt in der Simmerner Grabkapelle das Herzog-Reichard-Denkmal, ein Doppelepitaph für Johanns II. jüngsten Sohn und dessen Gemahlin Juliana von Wied (gest. 1575). Mit Herzog Reichard (gest. 1598) starb die ältere Linie des Geschlechtes derer von Simmern aus. Von den Figuren des Grabmals heisst es allerdings: »Die Kunst des in Simmern als Hofbildhauer ansässigen, auch in anderen fürstlichen Häusern geschätzten Meisters zeigt sich hier weniger vorteilhaft als z. B. in Meisenheim und Öhringen; sie ist nach ihrem Wesen (wie im weiteren Sinne überhaupt die Plastik dieser Zeit) Kleinkunst und vermag dem großen Maßstab nur durch Summierung, nicht durch innere Größere de Motive gerecht zu werden; die Bildnisstatuen sind wenig mehr als Kostümgruppen; das Ornamentale freilich vorzüglich« (Georg Dehio). Das auch in seinen Ausmaßen von 8,20 x 3,20 Meter imponierende Werk, reich mit Wappenschilden, steinernen Vorhänge, langzeiligen Inschrifttafeln und ornamentaler Zier beladen, wirkt in der Tat vor allem theatralisch. Barocke Fülle kündigt sich hier bereits unübersehbar an. Unter seinen zehn Reliefs mit biblischen Szenen sind drein von Hans Ruprecht Hoffmann aus Trier geschaffen worden, der 1582 als Mitarbeiter und späteren Nachfolger des 1586 im Alter von 56 Jahren verstorbenen Johann von Trarbach nachzuweisen ist.
Das nur noch in Resten erhaltene Denkmal für Herzog Reichards zweite Frau, Emilia von Württemberg (gest. 1586), sowie weitere heraldische und Inschriftenepitaphien (16. Jh.) in der Stefanskirche werden durchweg dem Meister von Trarbach zugeschrieben, dessen Werkstatt schließlich durch Hans Trapp und Conradt Wohlgemuth weitergeführt wurde, ohne jedoch das unter ihrem Begründer erlangte Niveau länger halten zu können.
Simmerns zweites Gotteshaus, die katholische Pfarrkirche St. Josef, ist 1749-1752 nach Plänen des kurpfälzischen Baumeister Johann Jakob Rischer (1662-1755) als stattlicher Saalbau konstruiert worden. In dem von Pilastern gegliederten und unter seinem von einer Habe gekrönten Turm an das einstige Karmeliterkloster (1703/04) anschließenden Bauwerk hat sich eine großartige Ausstattung des späten Barock erhalten. Insbesondere die für den Hunsrückraum außergewöhnliche Deckenmalerei (u.a. Anbetung des Kindes), 1754 von Mannheimer Hofmaler Francesco Bernardini geschaffen, trägt neben weiteren Gemälden (teils demselben Urheber zugeschrieben) bedeutend zur schönen Raumwirkung bei. Den Hochaltar bekrönt ein Herz-Jesu-Statue des kurfürstlichen Hofbildhauers Paul Egell (1691-1752), der als Schüler Balthasar Permosers um 1715 auch an der Skulpturen des Dresdener Zwingers mitgearbeitet hatte. Vorzügliche Plastiken des 18. Jahrhunderts aus der Mainzer Werkstatt des Martin Bitterich erblickt man in Gestalt des Guten Hirten über der Rokokokanzel und einer Madonna am Außenportal. Die Orgel (1753) wurde von den Gebrüdern Stumm aus Rhaunen-Sulzbach geschaffen. Zwei Seitenaltäre (1752) und das Gestühl entstammen gleichfalls Hunsrücker Werkstätten, wobei eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den Altären in Ravengiersburg und Kirchberg auffällt.
Als drittes Bauwerk von Bedeutung sollte man in der Kreisstadt Simmern schließlich auch das 1708-1713 über den Ruinen der 1689 zerstörten Herzogresidenz errichtete Neue Schloss beachten. Es birgt die sehenswerten Sammlungen des Hunsrücker Heimatmuseums sowie ein regionales Archiv und die wichtige Geschichtsbücherei. Zu den interessantesten Exponaten zählen die aus der Fürstengruft in der Stefanskirche geborgenen Prunkwaffen des Herzogs Reichard.
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Schinderhannes im Turmverlies
Auf dem barocken Kegeldach des als letzten Rest von der einstigen Stadtbefestigung übriggebliebenen Pulverturms dreht sich als Wetterfahne die Figur eines pfälzischen Husaren, in welcher Einheimische und manche Besucher aber lieber den Schinderhannes erblicken möchten, nach dem derselbe Turm auch benannt worden ist, seit der dubiose ›Nationalheld‹ des Hunsrücks in diesen Mauern gefangen lag. Dieser in »Volkes unergründlicher Seele« vom brutalen Wegelagerer zum mutigen Rebellen hochstilisierte Johannes Bückler (1778-1803) hat als Anführer einer Räuberbande die gesamte Region und insbesondere die Gendarmerie während der ›Franzosenzeit‹ jahrelang in Atem bzw. auf Trab gehalten. In den Simmerner Turm konnte man ihn einschließen, nachdem er in Schneppenbach am Lützelsoon von mutigen Kirner Polizisten aufgegriffen und dingfest gemacht worden war. Dies geschah am 28. Februar 1799, und die Gefangenschaft währte bis zum 20. August im selben Jahr. Vor seiner Hinrichtung in Mainz hat Schinderhannes über die Haft im Simmerner Turm den Untersuchungsbeamten persönlich zu Protokoll gegeben: »Ich schaudere noch in diesem Augenblick, wenn ich mich der Härte der Gefangenschaft, welche ich da empfunden habe, erinnere. Die Nacht hindurch war ich mit Ketten beladen und in einem finsteren, feuchten, unterirdischen Gewölbe gefangen gehalten. Des Tages erlaubte man mir zu Zeiten eine gesunde Luft in einem höheren Gefängnis einzuatmen; ich fand allda Philipp Arnold von Argenthal. In den Augenblicken, wo man mich aus meinem unterirdischen Gewölbe herausgehen hieß, wurde ich durch etliche Bürger bewacht. Einer dieser Wächter verschaffte mir ein Messer; ich bediente mich dessen, um ein Brett in dem Gefängnis durchzuschneiden. Als ich mir einen Ausgang in die Küche geöffnet hatte, um in den Turm hinaufzusteigen. Nachdem ich bis in die Küche gedrungen war, fand ich deren Fenster mit eisernem Gitter versehen. Ich erschütterte mit Gewalt dieses Fenster und warf es auswärts. Ein kühner Sprung befreite mich gänzlich, aber ein großer Stein fiel mir nach, und ich brach ein Bein. Da ich nicht gehen konnte, kroch ich in derselben Nacht bis in den Berghäuser Wald, die folgende Nacht setzte ich den schmerzhaften Weg bis in den bei der Apperter Mühle in der Gegend von Gehlweiler gelegenen Wald fort.«
Auf Umwegen gelangte Schinderhannes endlich zu einem Spießgesellen, bekam ein Pferd und ritt zu seinem früheren Lehrmeister Nagel nach Bärenbach an der Nahe, einem Abdecker und Wasenmeister, der in der Heilkunde bewandert war und dem Blessierten beistehen konnte. Am Rande ist hier übrigens zu vermerken, dass die in der Familie Nagel gewissermaßen erblich betriebene Heilkunst noch bis in die jüngsten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts einen legendären Ruf genoss. Bis heute schwören manche Hunsrücker auf die wundersamen Wirkungen von ›Nagels Pflaster‹.
Auf dem barocken Kegeldach des als letzten Rest von der einstigen Stadtbefestigung übriggebliebenen Pulverturms dreht sich als Wetterfahne die Figur eines pfälzischen Husaren, in welcher Einheimische und manche Besucher aber lieber den Schinderhannes erblicken möchten, nach dem derselbe Turm auch benannt worden ist, seit der dubiose ›Nationalheld‹ des Hunsrücks in diesen Mauern gefangen lag. Dieser in »Volkes unergründlicher Seele« vom brutalen Wegelagerer zum mutigen Rebellen hochstilisierte Johannes Bückler (1778-1803) hat als Anführer einer Räuberbande die gesamte Region und insbesondere die Gendarmerie während der ›Franzosenzeit‹ jahrelang in Atem bzw. auf Trab gehalten. In den Simmerner Turm konnte man ihn einschließen, nachdem er in Schneppenbach am Lützelsoon von mutigen Kirner Polizisten aufgegriffen und dingfest gemacht worden war. Dies geschah am 28. Februar 1799, und die Gefangenschaft währte bis zum 20. August im selben Jahr. Vor seiner Hinrichtung in Mainz hat Schinderhannes über die Haft im Simmerner Turm den Untersuchungsbeamten persönlich zu Protokoll gegeben: »Ich schaudere noch in diesem Augenblick, wenn ich mich der Härte der Gefangenschaft, welche ich da empfunden habe, erinnere. Die Nacht hindurch war ich mit Ketten beladen und in einem finsteren, feuchten, unterirdischen Gewölbe gefangen gehalten. Des Tages erlaubte man mir zu Zeiten eine gesunde Luft in einem höheren Gefängnis einzuatmen; ich fand allda Philipp Arnold von Argenthal. In den Augenblicken, wo man mich aus meinem unterirdischen Gewölbe herausgehen hieß, wurde ich durch etliche Bürger bewacht. Einer dieser Wächter verschaffte mir ein Messer; ich bediente mich dessen, um ein Brett in dem Gefängnis durchzuschneiden. Als ich mir einen Ausgang in die Küche geöffnet hatte, um in den Turm hinaufzusteigen. Nachdem ich bis in die Küche gedrungen war, fand ich deren Fenster mit eisernem Gitter versehen. Ich erschütterte mit Gewalt dieses Fenster und warf es auswärts. Ein kühner Sprung befreite mich gänzlich, aber ein großer Stein fiel mir nach, und ich brach ein Bein. Da ich nicht gehen konnte, kroch ich in derselben Nacht bis in den Berghäuser Wald, die folgende Nacht setzte ich den schmerzhaften Weg bis in den bei der Apperter Mühle in der Gegend von Gehlweiler gelegenen Wald fort.«
Auf Umwegen gelangte Schinderhannes endlich zu einem Spießgesellen, bekam ein Pferd und ritt zu seinem früheren Lehrmeister Nagel nach Bärenbach an der Nahe, einem Abdecker und Wasenmeister, der in der Heilkunde bewandert war und dem Blessierten beistehen konnte. Am Rande ist hier übrigens zu vermerken, dass die in der Familie Nagel gewissermaßen erblich betriebene Heilkunst noch bis in die jüngsten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts einen legendären Ruf genoss. Bis heute schwören manche Hunsrücker auf die wundersamen Wirkungen von ›Nagels Pflaster‹.