Text über den Erbeskopf und Umgebung von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987

Bei Hermeskeil treffen sich die von Saarburg und aus dem Ruwertal heraufführenden Straßen mit der Autobahn Trier Kaiserslautern dort, wo nach Nordosten auch die Hunsrückhöhenstraße B 327 die höheren Lagen des Mittelgebirges erschließt. Hermeskeil und seine Umgebung sind reich an römerzeitlichen Funden. Das hübsche Städtchen zeigt mit der katholischen Martinskirche eine ansehnliche Architektur in neuromanischen und neugotischen Formen (1867-70) und mit dem evangelischen Gotteshaus (1853) einen schlichten Bau des Klassizismus. Das Hochwaldmuseum (Volkskunde), das Lokomotivmuseum an der historischen Hunsrückbahn und eine moderne Flugzeugausstellung  sind die wesentlichen Attraktionen des aufstrebenden Urlaubsortes. Er eignet sich überdies gut als Ausgangspunkt für Fahrten um das Massiv des 818 Meter hohen Erbeskopfes.

So gelangt man in südöstlicher Richtung, ein tiefes Waldtal durchquerend, bald nach Züsch mit seiner weithin sichtbaren dreitürmigen Pfarrkirche St. Antonius (1780-84), einem repräsentativen Sakralbau, der in der Waldeinsamkeit ringsum einen kunsthistorisch bemerkenswerten Akzent darstellt. Hinter dem Ort erhebt sich der dunkle Höhenzug an der saarländischen Grenze, der mit dem Ringwall von Otzenhausen (über der Straße nach Nonnweiler) eines der großartigsten Monumente latènezeitlicher Festungsarchitektur trägt.

Oberhalb der Ortschaften Neuhütten und Muhl verläuft eine Straße in Richtung Birkenfeld/Nahe, von welcher bei Börfink, einer einstmaligen Köhlersiedlung, die schmale Seitenstrecke nach Thranenweier und Hüttgeswasen abzweigt, vorbei am Stützpunkt ›Erwin‹ (hochmoderne Bunkeranlage mit dem NATO - Kriegshauptquartier Europa Mitte). Keine zwei Kilometer weiter erblickt man dann inmitten des dichten Waldlandes den winzigen Weiler Thranenweier mit seiner Wasserfläche, an welcher der örtlichen Überlieferung zufolge Krimhild um ihren ermordeten Helden Siegfried Trauertränen vergoss. Der Mörder war bekanntlich jener Hagen von Tronje, der jenseits des Erbeskopfes auf Burg Dhronecken zuhause gewesen sein soll. Die überwiegend militärisch genutzte Straße verläuft aufwärts nach Hüttgeswasen. Dies ist ein kleines Ensemble einsamer Häuser (darunter ein Hotel), deren "berühmtester Sohn" ein Bandenmitglied des Schinderhannes gewesen ist, nämlich der berüchtigte ›Schwarze Peter‹, den jedermann aus dem gleichnamigen Kartenspiel kennt.

Linkerhand führt jetzt die gut ausgebaute Bundesstraße in Richtung Morbach, die man jedoch wenig später, abermals zur Linken, mit dem Abzweig nach Thalfang wieder verlässt. Nach einigen Kilometern Fahrstrecke, immer noch unentwegt durch prächtige Waldgebiete, ist bald nahe beim Erbeskopfgipfel, wieder die B 327 erreicht. Folgt man dieser in Richtung Koblenz, so ermöglichen Abstecher zur Rechten nach Deuselbach, Hoxel und Morscheid-Riedenburg auf kurzen Wegstrecken die Entdeckung eines abseits gelegenen, verschwiegenen Landschaftsraumes, dessen architektonisches Kleinod die in wunderschönen gotischen Formen erhaltene Kuno-Kapelle (14. Jh.) als übrigebliebener Chorraum einer einstigen Kirche bildet.

Nicht minder naturschön und ihrerseits von anheimelnden Ortschaften belebt ist aber auch die Region links der Bundesstraße: Dort finden sich am Oberlauf der Dhron noch etliche Dörfer mit bemerkenswerten Zeugen aus der Vergangenheit. Gutenthal bewahrt in seiner äußerlich schlichten katholischen Pfarrkirche einen mit interessanten Ölgemälden gestalteten Passionsaltar (1612). Über Weiperath gelangt man von hier zur einsam in einem waldumkränzten Wiesental gelegenen Walholzer Kirche (1760) und dann zum Dörfchen Hunolstein, das teilweise in die Ruine einer Burg (1522 durch Franz von Sickingen zerstört) hineingebaut worden ist. Die örtliche Überlieferung behauptet, dass von dieser in heroischer Lage das tief eingeschnittene Waldtal der Dhron überragenden Feste Hagens nibelungischer Waffengefährte Hunold herstamme.

Thalfang, Verwaltungssitz einer Verbandsgemeinde, liegt auf Hermeskeil zu gleich neben der B 327. Seine katholische Pfarrkirche (1899-1901) wurde im neugotischen Stil erbaut, während das evangelische Gotteshaus (13.-16. Jh.) sehr schöne gotische Architekturformen und ein kunstvoll skulptiertes Sakramenthäuschen (15. Jh.) präsentiert. Durch das Dhrontal abwärts fährt man von hier nach Dhronecken und kommt dabei an Hilscheid und Bäsch vorüber, wo bedeutende Relikte römerzeitlicher Tempelanlagen ausgegraben worden sind. Das kleine Dorf Dhronecken kuschelt sich in anmutiger Lage an die Reste eines alten Burgsitzes der Wild- und Rheingrafen, von welchem noch mächtige Mauerzüge und ein malerischer Rundturm erhalten sich. Auf den Ruinen ist im 18. Jahrhundert ein wuchtiges Amtshaus (heute Forstamt) in schlichtem Barockstil entstanden, etwa gleichzeitig mit einem Wohnhaus (heute Gaststätte) zu Füßen der Anlage, dessen Rückseite eine interessante Pfostengalerie vorgeblendet wurde. Gleich neben diesem Gebäude steht einzeln ein kleiner Glockenturm auf schiefrigem Felsen. Ob aus diesem Ort, so geschichtsträchtig und fraglos romantisch er sich auch zeigt, der finstere Recke Hagen von Tronje einst kam, wird höchstwahrscheinlich nie definitiv zu klären sein. Die Volkssage und die Phantasie, wenn man sie an diese stimmungsvollen Relikte bindet, könnten freilich Recht behalten.

Wieder zurück zur nahe vorbeiführenden Hunsrückhöhenstraße: Über Thalfang, Morbach oder Hermeskeil, je nach Belieben, führt von hier der Weg über das bewaldete Bergmassiv hinüber und hinab in den Landkreis Birkenfeld und damit zum südwestlichen Teil des Hunsrücks am Oberlauf der Nahe. Wie deutlich der gänzlich siedlungsfreie Höhenrücken von Hoch- und Idarwald das Mittelgebirge hier in zwei unterschiedliche Landschaftszonen zerteilt, kann eindrucksvoll z.B. auf der Strecke von Morbach nach Bruchweiler und Kempfeld erfahren werden. Noch heute kennt man in Morbach die südöstlich zur Nahe hin gelegenen Orte als ›Dörfer hinter dem Wald‹, indes deren Einwohner ihrerseits von den ›Dörfern vor dem Wald‹ sprechen. Gleichwie: Der Wald dominiert als stets sichtbare dunkelgrüne Kulisse die gesamte Region, und von Bruchweiler über Schauren und Stipshausen empfiehlt sich eine Exkursion über die am Fuß der baum- und wildreichen Quarzitrücken entlangführende Straße hinüber nach Rhaunen.